litauische Literatur.

litauische Literatur.
lịtauische Literatur.
 
Die reiche Volksliteratur (lyrische Lieder, Dainos) wurde nur mündlich tradiert. Im Zuge der Reformation und Gegenreformation schufen Geistliche beider Konfessionen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ein vielseitiges Schrifttum, in dessen Rahmen die litauische Schriftsprache entstand. 1547 erschien das erste Buch in litauischer Sprache, eine Übersetzung von Luthers »Kleinem Katechismus«; es folgten Übersetzungen von Kirchenliedern u. a. religiösen Texten. Die erste Übersetzung der gesamten Bibel kam 1735 im preußischen Königsberg heraus.
 
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Versuche, eine litauische Kunstliteratur zu schaffen, die jedoch trotz mancher bedeutender Talente wie Kristijonas Donelaitis (Versepos »Metai«, herausgegeben 1818), Antanas Strazdas, Antanas Baranauskas (Versepos »Anykščių šilelis«, 1858-59) erfolglos blieben. Ihre Werke blieben zum größten Teil ungedruckt. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als ein breiteres Lesepublikum entstand, wurde die weitere Entwicklung durch das Verbot der russischen Regierung, litauische Schriften mit lateinischen Lettern zu drucken (1864), gehemmt. Ein Ausweg fand sich durch die Verlegung des Druckes ins preußische Tilsit, wo auch 1883-86 die erste Zeitschrift »Aušra« (Morgenröte) erschien, in der u. a. eine einheitliche litauische Schriftsprache erarbeitet wurde. Mit »Aušra« begann die nationalromantische Bewegung. Bedeutendster Dichter dieser Jahre war Maironis; ihm folgten Aleksandras Dambrauskas und Pranas Vaičaitis (* 1876, ✝ 1901). Der Realismus setzte mit Vincas Kudirka, dem Gründer der Zeitschrift »Varpas« (Die Glocke), ein, dem Žemaitė, Pelėda Lazdynų, Jonas Biliūnas (* 1879, ✝ 1907), Šatrijos Ragana (* 1877, ✝ 1930) u. a. folgten. Die Aufhebung des Druckverbotes (1904) und die Revolution von 1905 ermöglichten die Entwicklung einer eigenständigeren Literatur, die in der Zeit der Eigenstaatlichkeit (1918-40) ihre volle Entfaltung fand. Klassiker der litauischen Prosa sind neben Vincas Krėvė-Mickevičius Vaižgantas, Petras Cvirka (* 1909, ✝ 1947), Jurgis Savickis (* 1890, ✝ 1952), Putinas, Juozas Grušas, der auch als Dramatiker hervorgetreten ist, und Ieva Simonaitytė. Eine große Bedeutung kommt der Lyrik zu, in der nach Balys Sruoga, Petras Vaičiūnas (* 1890, ✝ 1959), Kazys Binkis, Salomėja Nėris (* 1904, ✝ 1945), Kazys Bradūnas und Jurgis Baltrušaitis mit Jonas Aistis und Bernardas Brazdžionis eigenwillige Talente auftraten, während sich das Drama neben den anderen literarischen Gattungen langsamer entwickelte. Sruoga schrieb auch Versdramen über Themen der nationalen Vergangenheit, V. S. Vydūnas mystisch-allegorische Weihespiele.
 
Die Besetzung Litauens durch die Sowjetarmee 1944 zwang einen großen Teil der Autoren zur Emigration, deren Zentren zunächst in der Bundesrepublik Deutschland, später in den USA und Südamerika waren.
 
In der Litauischen SSR war die Literatur der Doktrin des sozialistischen Realismus unterworfen, die in der Tauwetterperiode nach 1956 gelockert wurde, sodass wieder eine lebendigere Dichtung entstehen konnte, in der auch die litauische Vergangenheit und volkstümliche Traditionen eine Aufwertung erfuhren. Neben Cvirka und Nėris, die immer zum linken Flügel gehört hatten, kamen zunächst auch einige »bürgerliche« Autoren wie Putinas und Antanas Vienuolis (* 1882, ✝ 1957) zu Wort, daneben neue Autoren, so in der modernistischen Lyrik Eduardas Mieželaitis, Julija Vaičiunaitė (* 1937), Justinas Marcinkevičius, der auch Erzählungen und Dramen schreibt, Janina Degutytė (* 1928) und Sigitas Geda (* 1943). Bedeutende Erzähler sind Jonas Avyžius, Vytautas Bubnys (* 1932), Mykolas Sluckis, Vytautė Žilinskaitė (* 1930), Ramunas Klimas (* 1945) und Saulis Tomas Kondrotas (* 1953), der auch Dramen und Drehbücher verfasst. Als Dramatiker ist neben Grušas v. a. Kazys Saja (* 1932) zu nennen, der dem Theater neue Impulse verliehen hat.
 
In der Emigration hat zunächst die Gruppe um die Zeitschrift »Žemė« (Erde) mit dem Erzähler und Dramatiker Antanas Škėma (* 1911, ✝ 1961) und den Lyrikern Alfonsas Nyka-Niliūnas (* 1919) und Bradunas viel zur Erhaltung einer traditionsbewussten, dabei aber modernen Dichtung beigetragen. Als Lyriker sind daneben hervorzuheben: Aistis, Anatolijus Kairys (* 1914), der sich auch als Dramatiker auszeichnete, Henrikas Nagys (* 1920), u. a. ein hervorragender Übersetzer deutscher Lyrik, Vladas Šlaitas (* 1920) und Henrikas Radauskas. Im Laufe der Zeit traten mehr und mehr Probleme der Gegenwart und allgemeine menschliche Fragen nach dem Sinn von Leben und Tod in den Vordergrund, so bei Julija Švabaitė (* 1921), Jonas Mekas, Algimantas Mackus (* 1932, ✝ 1964), Vitalija Bogutaitė (* 1934) und Marija Jurgita Saulaitytė (* 1941). Interessante Experimente liefern der Dramatiker und Erzähler Algirdas Landsbergis (* 1925) sowie Kostas Ostrauskas (* 1926) mit seinem absurden Theater.
 
Seit der Unabhängigkeit des Landes 1990 ist in der Literatur noch wenig von einer Aufbruchstimmung zu spüren. Neben bisher tabuisierten Themen, z. B. Religion und Katholizismus, der Widerstand litauischer Partisanen gegen die sowjetische Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg, erscheinen Schreckensbilder von im sowjetischen System deformierten Menschen; bisher in Archiven verwahrte litauische Texte und im Ausland entstandene Literatur sowie Klassiker der Weltliteratur bestimmen den Buchmarkt. Als Klassiker der »neuen« litauischen Moderne wurden der frühere Dissident Tomas Venclova (* 1937), A. Mackus und H. Radauskas, der in Israel lebende Prosaautor Icchokas Meras (* 1934) und Antanas Škėma (* 1911, ✝ 1961) entdeckt. Eine neue Autorengeneration vollzieht allmählich den inhaltlichen und formalen Anschluss an die Strömungen des Postmodernismus, in der Lyrik u. a. Donaldas Kajokas (* 1948), Juozas Erlickas (* 1953), Ardas Marčėnas (* 1955); in der Prosa Vanda Juknaitė (* 1949), Ričardas Gavelis (* 1950), Leonardas Gustauskas (* 1954), Jurga Ivanauskaitė (* 1956).
 
 
A. Vaičiulaitis: Outline history of Lithuanian literature (Chicago, Ill., 1942);
 
Lietuvių literatūros istorija, hg. v. K. Korsakas, 5 Tle. (Vilnius 1957-68);
 
Istorija litovskoj literatury, hg. v. J. Lankutis (ebd. 1977);
 V. Vanagas: Lietuvių rašytojų sąvadas. Svod litovskich pisatelej (ebd. 1987);
 
Lietuvių egzodo literatūra, hg. v. K. Bradūnas (Chicago, Ill., 1992);
 V. Kubilius: XX amžiaus literatūra (Vilnius 1995);
 
Lietuvos knygos istorija, hg. v. D. Kaunas (ebd. 1995).

Universal-Lexikon. 2012.

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